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Wie man eine Super-Lernende wird

Der Lern-Experte Jim Kwik zeigt in seinem Buch „Limitless – Grenzenlos“ alle Techniken, um die eigene Lernfähigkeit fast grenzenlos zu verbessern. Wir haben uns angeschaut, wie man zur Super-Lernenden wird.

„Jeder ist ein Genie. Aber wenn man einen Fisch danach bewertet, wie gut er auf einen Baum klettern kann, wird er sein ganzes Leben denken, er sei dumm.“

Albert Einstein

Jim Kwik war das Kind mit dem gebrochenen Kopf. Nach einem schweren Unfall konnte der Junge nur mehr schlecht lernen, war nicht aufmerksam und konnte sich nicht konzentrieren. Er war schlecht in der Schule und dazu geschlagen mit wachsender Schüchternheit. Er biss sich durch, arbeitete härter, nur um in der Universität zu verzweifeln. Dank einer Schlüsselbegegnung stellte er fest, „dass wir zwar alles lernen, aber nie, wie man richtig lernt.“

Die folgenden 20 Jahre widmete sich Kwik dem Lernen. Er hat zwei erfreuliche Kernbotschaften:

  1. Es geht nicht darum, härter zu lernen, sondern darum, besser zu lernen.
  2. Jede kann eine gute Lernende werden.

Beides kann man lernen. Hier sind ein paar Tipps.

MMM

Um Ziele zu erreichen müssen wir lernen. Um eine Superlernende zu werden, braucht es nach Kwik drei Voraussetzungen:

  • Mentalität (das „Was“)
  • Motivation (das „Warum“)
  • Methode (das „Wie“)

Mentalität ist die emotionale Möglichkeit, „wer sich für schlecht hält, wird auch schlecht sein“. Es sei schwer, sich eine positive Mentalität vorzustellen. Doch Kwik schlägt vor, einfach mal offen zu sein, dass wir alle es können. Begrenzen wir die Mentalität, glauben wir nicht an uns. Begrenzen wir die Motivation, haben wir keinen Drang etwas zu tun. Begrenzen wir die Methode (auf die Art des Lernens aus der Schule), brauchen wir länger und werden nie so gut.  

Nur mit Mentalität und Motivation bleibt es bei Inspiration ohne Handlung. Nur mit Mentalität und Methode bleibt es bei Ideation (siehe Schule). Nur mit Motivation und Methode bleibt es bei ungenügender Implementation.

Wenn alle drei M‘s zutreffen ist grenzenloses Lernen möglich.

Tipp 1 – Wie man besser lernt

Pomodoro Technik: Widme dich einem Thema für 25 Minuten, dann mache 5 Minuten Pause in denen du über das gelernte reflektierst. Dann die nächsten 25 Minuten. Grund: Der Mensch kann sich nicht länger konzentrieren.

FASTER Methode

Jim Kwik mag Listen, Abkürzungen und Modelle. Weil man diese besser im Gedächtnis behält. Lernen wir mit der FASTER Methode.

  • F (Forget / Vergessen) – Vergiss, dass du schon etwas über dein Thema weißt. Gefestigtes Wissen verhindert, neues zu lernen.
  • A (Act / Handeln) – Lernen ist kein Zuschauersport (wie in der Schule praktiziert). Je interaktiver, desto besser. Ein guter Start – mitschreiben und unterstreichen.
  • S (State / Zustand) – Emotional lernt es sich besser. Schreib auf, wie dir das Gelernte helfen wird. Tue alles, damit dir nicht langweilig ist. (ZB audio-lernen beim Joggen)
  • T (Teach / Lehre) – Ich merke mir diese Lerntechniken, indem ich daraus einen Artikel mache. Jemanden etwas beibringen ist die beste Art, selbst zu lernen.
  • E (Enter / Eingeben) – Schlag der Verdrängung ein Schnippchen. Führst du einen Kalender mit den wichtigsten Terminen? Füge Lernstunden dort hinzu. Mit wichtigem Titel und Erinnerungsfunktion.
  • R (Review / Wiederholen) – Wiederholen eines Inhalts mit zeitlichem Abstand bedeutet, weniger zu vergessen. Mehrmals wiederholen mit wachsenden Zeitabständen.

Tipp 3 – Verändere deinen Zustand

Wie motiviert, energetisch und fokussiert bist du gerade – von 1 bis 10. Was ist die eine Sache, die du jetzt machen kannst, um diese Zahl zu erhöhen? Tue das jedes Mal vor dem Lernen.

Entscheidende Fragen

Die meisten Autoren machen sich einen Plan und legen für ihr Buch eine Struktur fest. So etwas ähnliches können wir auch beim Lernen tun. Um dir sowohl Struktur als auch Motivation zu geben, beantworte dir diese drei Fragen:

  1. Wie kann ich das verwenden?
  2. Warum muss ich das verwenden?
  3. Wann werde ich das verwenden?

Die Antworten helfen dir, dem Wissen Sinn zu geben.

Tipp 2 – Wie man besser lernt

Konzentrations-Tipp: Wenn dich etwas Wichtiges ablenkt, dann ignoriere es nicht. Schreib es auf einen To-Do Zettel für spätere Bearbeitung. Dann mache weiter. Grund: das Hirn kann nicht multi-tasken.

Mentalität

Die 7 Lügen des Lernens

  1. Intelligenz ist unveränderbar
  2. Wir verwenden nur 10 Prozent unseres Gehirns
  3. Fehler sind Misserfolge
  4. Wissen ist Macht
  5. Neues lernen ist schwierig
  6. Kritik anderer ist wertvoll
  7. Genie ist angeboren

Ersetzen wir sie mit diesen 7:

  1. Intelligenz ist so veränderbar, wie du es willst und brauchst
  2. Wir verwenden immer das ganze Gehirn, lernen wir es besser zu verwenden
  3. Fehler sind die erste Stufe des Fortschritts
  4. Wissen x Handeln = Macht
  5. Neues Lernen macht Spaß, wenn wir wissen, wie man gut lernt
  6. Die schnellsten Lerner sind Kinder und es ist ihnen egal, was die Welt über ihre Fehler denkt
  7. Genie hinterlässt Spuren. Es gibt immer eine Methode hinter der Magie. Genie wird durch lange und tiefe Praxis erreicht.

Motivation

Jim Kwik: „Motivation ist nicht etwas, das man hat; sondern etwas, das man tut. Und sie ist absolut nachhaltig.“ Auch hierfür hat Kwik eine Formel:

Motivation = Sinn x Energie x S3

S3 = Small Simple Steps – Kleine, einfache Schritte.

Das Ziel was wir erreichen wollen, ist der Sinn (oder Zweck) ist der Grund, warum wir es erreichen wollen. Starte jede Aufgabe mit „Warum?“. Wenn du das beantwortet hast, dann setze dir SMARTe Ziele:

  • S (Spezifisch) – Nicht „ich will besser werden“ sondern „ich will mindestens 90% beim Test erreichen“
  • M (messbar) – Was du nicht messen kannst, kannst du nicht kontrollieren. „Fit sein“ ist nicht so erfolgsversprechend wie „Marathon in 4 Stunden laufen.“
  • A (actionable / umsetzbar) – Mach dir einen Reiseplan zu deinem Ziel.
  • R (realistisch) – wähle ein herausforderndes Ziel, aber kein unmögliches
  • T (time-based / Zeit) – Ein Ziel ist ein Traum mit Deadline.

Um SMARTe Ziele setzen zu können, sollten wir uns mit unseren Leidenschaften beschäftigten. Auch mit unserem Lebenssinn und auch mit der Frage, wer wir sind. Dann mit unseren Werten und welche davon Priorität haben. Dann mit den Gründen, weswegen wir etwas tun (wollen). Bei Jim Kwik gibt es dazu viele Ratschläge.

Energie

Es ist nicht ganz unlogisch, dass unsere täglichen Angewohnheiten Einfluss auf unsere Energie und damit unsere Leistung haben. Darunter fallen:

  • Was wir essen. Hirnnahrung: Avocados, Broccoli, dunkle Schokolade, Heidelbeeren, Walnüsse, Kurkuma, Grün-blattriges Gemüse
  • Bewegung – 5 Minuten gehen nach jeder Stunde wirkt Wunder.
  • Eine aufgeräumte Umgebung. Mach dein Bett!
  • Eine positive Bezugsgruppe von Menschen (Peergroup)
  • Stress-Management
  • Schlaf
  • Pausen

Kleine Einfache Schritte

Schlechten Angewohnheiten halten uns davon ab, unser Vorhaben umzusetzen. Verzögern, verschieben, vergessen, verdrängen. Es sind keine Zustände, sondern automatisierte Handlungen. Sie lassen sich ersetzen durch bessere. Durch solche, die uns unterstützen.  

Überlege dir folgende drei Fragen:

  1. Welches ist der kleinste einfache Schritt, den ich jetzt setzen kann?
  2. Wie fange ich mit guten Angewohnheiten an und wie beende ich schlechte?
  3. Welche tägliche Routine hilft mir, grenzenlos zu werden?

Beispiel eines kleinen Schrittes: 5 Minuten lesen. Ich fange damit an, es am Klo zu tun, wo ich eh nichts Besseres vorhabe. Ich mache es mir zur Routine, das täglich zu tun. Wenn das klappt, dann mache ich es vielleicht auch in der U-Bahn.

Einfache Dinge gehen leicht, schwere Dinge machen uns Mühe. Mache es dir so leichter:

  • Zeit – schaff dir Zeit, dann fällt eine Aufgabe leichter
  • Geld – kostet es viel, wird es schwerer
  • Körperlicher Aufwand – wenig macht es leichter
  • Hirnzyklus – Wenn es zu komplex ist, wird es schwer. Fang simpler an.
  • Sozial anders – Was sozial akzeptabel ist, ist einfacher
  • Routine – je weiter weg von der täglichen Routine, desto schwerer

Versuche also, dein Vorhaben so zu planen, dass es so leicht wie möglich geht. Wenig überraschend ist der Morgen für die meisten Menschen die ertragreichste Zeit, um gute Angewohnheiten zu pflegen. Es ist aber auch die Zeit, wo die schlechten Angewohnheiten am schwersten wiegen. Also, aufstehen, duschen, Dehnübungen machen!

Unterteile dein Vorhaben in lauter kleine Schritte. Wenn das -> dann jenes -> gefolgt von diesem. Jeder kleine Schritt ist ein Erfolg und hilft dir, den nächsten zu erreichen.

Flow – Im Fluss sein

Der Psychologe Mihaly Csikszentmihalyi beschreibt Flow as „der Zustand, in dem Menschen so in eine Aktivität vertieft sind, dass nichts anderes mehr wichtig scheint. Die Erfahrung selbst ist so erfreulich, dass Menschen keine Mühen scheuen, um im Flow zu sein, allein zum Zweck des Seins.“

Im Flow zu sein macht uns sowohl viel produktiver als auch glücklich. Wer eine Super-Lernende oder Super-Arbeitende werden möchte, sollte diesen Zustand so oft wie möglich anstreben.

In seinem Buch „Flow: die Psychologie der optimalen Erfahrung“ beschreibt er acht Charakteristiken:

  1. Absolute Konzentration
  2. Totaler Fokus auf Ziele
  3. Das Gefühl, dass die sich die Zeit entweder beschleunigt oder verlangsamt
  4. Ein Gefühl, allein durch diesen Zustand belohnt zu werden
  5. Mühelosigkeit
  6. Der Vorgang ist herausfordernd, aber nicht übermäßig
  7. Es ist, als wenn alles von allein ginge
  8. Es fühlt sich einfach gut an, es zu tun

Es scheint, als könne man fünfmal produktiver im Flow sein, dafür arbeiten wir weniger als zehn Prozent der Zeit in diesem Zustand. Doch wir erreichen den Flow Zustand nicht zufällig. Gemäß Steven Kotler vom Flow Research Collective gibt es vier Phasen des Flows:

Phase 1: Kampf, Mühe

Phase 2: Entspannung

Phase 3: Flow

Phase 4: Festigung

Um in den Flow zu gelangen, solltest du zuerst alle Ablenkungen beseitigen. Dann nimm dir genug Zeit, zwei Stunden wären gut. In Fluss kommen wir leider zumeist nur bei Dingen, die wir wirklich gern tun. Setze dir klare Ziele und stelle dich einer Herausforderung, aber keiner sehr großen. Ab einem gewissen Schwierigkeitsgrad wird die Arbeit frustrierend.

Jim Kwik beschreibt nicht direkt, wie man in den Flow kommt. Ich weiß aus meiner eigenen Erfahrung, dass ich zu Beginn immer einen Widerstand zu überwinden habe. Das dauert bei mir 5-10 Minuten. Wenn ich merke, dass ich es nicht schaffe, dann breche ich meistens ab und tue vorübergehend etwas anderes. In dem Moment, wo die Hürde übersprungen ist fühlt es ich an, als wenn der Gegenwind aufhört. Es geht dann schneller und plötzlich habe ich Rückenwind. Das ist der Flow.

Methoden

Ich bin fast enttäuscht als ich feststelle, dass Superlernen nicht einfach aus ein paar Tricks besteht, die man – schnipp schnapp – einfach anwendet. Jim Kwik bezeichnet das Lernen als einen Muskel, den man trainieren kann (und muss). Und wer schon mal im Fitness-Studio war, weiß, wie langwierig der Prozess ist.

Konzentration

… ist die Mutter des Lernen und Arbeiten.

Trainingstipp 4 für Konzentration:

Wenn du in einem Gespräch bist, fokussiere dich komplett auf die andere. Wenn du abdriftest, fokussiere dich erneut. Mache dies bewusst. Reduziere beim Lesen die Zeit und Menge und fokussiere dich dafür voll und ganz auf jedes Wort. Dann lass locker, lies weiter und spüre den Unterschied. Wiederhole es regelmäßig und dehne dabei die Dauer der Konzentration aus.

Tipp 5

Wirst du von unangenehmen Gedanken abgelenkt? Such dir auf Youtube kleine Atemübungen. So wie diese: Atme durch die Nase ein und zähle dabei bis vier. Halte den Atem und zähle bis 7. Dann atme durch den Mund langsam aus und zähle bis acht. Wiederhole es vier Mal. Das ist auch eine gute Einschlafübung.

Lerntechniken

  1. Aktives Erinnern – studiere dein Material 25 Minuten lang. Dann schreibe in fünf Minuten alles auf, an das du dich erinnerst. Wiederhole es zwei Mal. Dann schreibe eine Zusammenfassung von allen drei Einheiten, ohne nochmals nachzuschauen.
  2.  Wiederholtechnik – wiederhole morgen das von heute. Dann zweite Tage später nochmal, dann vier Tage später.
  3. Verändere gelegentlich deine Umgebung. Erinnerungen haften an visuellen, auditiven sowie Geruchsreizen.
  4. Musik kann helfen. Ich verwende binaural beats (auf youtube), meditative Musik, die auf den Herzrhythmus abgestimmt ist.
  5. Bessere Notizen: Notiere nicht Wort-für-Wort, sondern übersetze das Gehörte oder Gelesene in deine eigenen Worte. Identifiziere beim Hören, was das Wichtige ist und priorisiere beim Schreiben.

Gedächtnistraining

Ein gutes Gedächtnis ist auch in Zeiten von Google wichtig, um eine Superlernende zu werden. Was wir uns nicht merken können wir nicht überdenken. Ohne Reflexion entwickeln wir uns nicht weiter. Erinnern wir uns, Gedächtnis ist ein wie ein Muskel. Je besser trainiert, desto mehr Leistung.

Ich bezeichne mich selbst als gute und schnell, wenn es ums Lernen geht. Also dann, wenn mich das Thema interessiert. Ich lese schnell, ich mache viele der mentalen Vorbereitungen und erreiche gelegentlich den Flow-Zustand. Bis hierhin sind mir Jim Kwiks Tipps nachvollziehbar und zu gutem Teil bekannt.

Im letzten Drittel seines Buches beschreibt Jim Techniken zum Gedächtnistraining und fürs Speed-Reading, dem super schnellen Lesen. Ich werde diese für mich neuen Dinge ausprobieren und einen Erlebnisbericht darüber schreiben.

Was Lernen ist und wie man es tut

Lernen will gelernt sein. Das ist am Anfang verlorene Zeit, in der wir das nicht lernen und tun können, was wir eigentlich wollen. Doch jede Stunde, die wir mit Lernen lernen verbringen, wird uns viele Stunden in der Zukunft ersparen. Es ist eine gute Investition.

 Jims Buch macht deutlich, dass Lernen wie eine Partie Schach ist. Wir bereiten uns vor, machen einen Plan, setzen Ziele, unterteilen diese in kleine, einfache Schritte, versetzen uns in den optimalen Zustand, und dann machen wir den ersten Schritt. Und dann den nächsten. Alles Gute dabei!